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AutorenbildMario Dieringer

Weltsuizidpräventionstag 2024




Heute ist Welt-Suizid- Präventionstag und all denen, die es gerade wirklich schwer haben, möchte ich an dieser Stelle etwas sagen.


Sieben Jahre nach dem Suizid meines Freundes: Warum ich heute das beste Leben lebe, das ich mir vorstellen kann.


Es gibt Momente im Leben, in denen die Dunkelheit so überwältigend wird, dass man glaubt, es gäbe keinen Ausweg mehr. Vor sieben Jahren verlor ich nicht nur meinen Freund durch Suizid, sondern auch mich selbst. Die Leere und das Gefühl der Hoffnungslosigkeit trieben mich an den Rand meines eigenen Abgrunds. Es war, als wäre der Boden unter meinen Füßen weggebrochen, und ich stürzte in eine grauenhafte Dunkelheit, aus der ich mir keinen Weg zurück vorstellen konnte.


Der Tod meines Freundes war nicht nur der Verlust eines geliebten Menschen – es war der Verlust meines Glaubens an das Leben. Der Schmerz, den ich fühlte, war so tief, dass ich mir nicht vorstellen konnte, jemals wieder einen Tag zu erleben, an dem dieser Schmerz nicht alles überschattet. Und so war ich über Monate hinweg meinem eigenen Tod näher als dem Leben. Drei Jahre zuvor hatte mein von Depressionen geplagter Geist einfach den Aus-Knopf gedrückt. Am 28.12.2014 hatte mein von Depressionen geplagter Geist gegen meinen freien Willen einen Suizidversuch begangen. Ich habe überlebt, weil mein Freund mich gefunden hat und weil man mich reanimieren konnte. Aber nach dem Suizid meines Freundes, 2,5 Jahre später, zählte all das nicht mehr. Ich habe über 6 Monate Tag und Nacht geheult. Ich war zu nichts mehr fähig. Hätte ich meine Freunde nicht gehabt, wäre ich in der eigenen Wohnung verhungert. Das wäre auch ok gewesen, weil ich sowieso nur noch sterben wollte.


Doch heute, sieben Jahre später, sitze ich hier und schreibe diesen Text, lebendig, atmend, voller Dankbarkeit – und vor allem, erfüllt von einem Glück, das ich mir damals niemals hätte vorstellen können. Wie ist das möglich? Wie kann jemand, der so tief gefallen ist, heute das beste Leben leben, das er sich vorstellen kann?


Es war keine lineare Reise, kein gerader Weg zurück ins Licht. Es waren unzählige kleine Schritte, die ich oft in Verzweiflung und Unsicherheit gegangen bin. Aber es waren auch genau diese Schritte, die mir eines klar gemacht haben: Der Schmerz, den ich damals empfand, war nicht das Ende meiner Geschichte. Er war nur ein Teil von ihr.


Es gab eine Zeit, in der ich glaubte, der Schmerz würde mich definieren. Dass er alles war, was von mir übrig geblieben war. Aber was ich in den vergangenen sieben Jahren gelernt habe, ist, dass Schmerz nicht das Ende ist. Er ist ein Übergang, eine Schwelle. Er zwingt uns, uns selbst in einer Weise zu betrachten, die uns tief erschüttert, aber er schenkt uns auch die Möglichkeit, zu wachsen, uns neu zu formen und stärker hervorzugehen.


Der Schmerz wurde zu einem Antrieb und zum Motor des Projektes Trees of Memory, mit dem ich seit sieben Jahren um die Welt wandere und Bäume der Erinnerung für Suizidopfer pflanze. Nur der Schmerz erlaubte es mir Menschen zu treffen, die ein ähnliches Leid erfahren haben. Nur der Schmerz zeigte der Welt, dass ich es ernst meine mit meinem Tun und dass ich glaubhaft war. Nur der Schmerz half mir mein Ego weitestgehend zu zerstören und etwas auf die Beine zu stellen, was viel größer ist. Und nur der Schmerz hat mich angetrieben den wahren Charakter meiner Seele zu suchen und in der Stille meines Universums Antworten darauf zu finden, wer ich wirklich bin. Manchmal gibt die Seele all die Charakteristika preis, die permanent sind und die sich nie verändern, es zeigt das wahre Selbst. Das Ego, das und meist durch das Leben treibt, verändert sich. Es zeigt nicht wer du bist. Es zeigt nur deine dunklen Seiten in einer Welt, in der wir jeden Tag glauben kämpfen zu müssen, um zu bestehen. Nach dem wahren Selbst muss man intensiv suchen und meist neue Wege gehen. Das erfordert Mut.

Der Schmerz und die Verzweiflung trieben mich an und peitschten mich durch dunkle Taste und Jahre und die wenigen hellen Momente gleichermaßen.


Es hat drei Jahre gedauert bis der quälendste Schmerz aufgehört hat. Es hat sechs Jahre gedauert bis ich fühlte, dass ich wieder lieben könnte, wenn der Richtige kommt und mich in der Sicherheit seiner Arme und Seins häkt und beschützt. Einer, der sich ebenfalls selbst gefunden hat. Einer, der weiß wovon ich rede. Nun, leider klappt das bei mir nicht mit der Bestellung beim Universum. Vielleicht habe ich zu oft bestellt und landete deshalb im Spam- Ordner des Alls. Nun denn ...


Heute lebe ich ein Leben, das nicht mehr von dieser Dunkelheit beherrscht wird. Es gibt immer noch Tage, an denen die Erinnerungen zurückkehren, an denen der Schmerz sich in den Hintergrund meines Bewusstseins schleicht. Aber er hat keine Macht mehr über mich. Denn was ich gefunden habe, ist etwas, das weit über den Schmerz hinausgeht: die Fähigkeit, wieder zu lieben, zu lachen und das Leben in all seinen Facetten zu genießen, auch wenn es Tage gibt an denen mich die Einsamkeit auffrisst.


Ich habe gelernt, dass das Leben nicht perfekt sein muss, um erfüllend zu sein. Dass es in den Momenten, in denen wir am meisten zerbrochen scheinen, auch die größte Chance für Heilung gibt. In diesen Jahren habe ich Freundschaften vertieft, neue Leidenschaften entdeckt, alle Partyfreunde von früher verlassen und einen Sinn im Leben gefunden, der mir in den dunkelsten Tagen und den 50 Jahren davor komplett verborgen blieb.


Die Liebe, die ich zu meinem Freund empfand, lebt in mir weiter. Sie ist ein Teil von mir, aber sie ist nicht mehr der Schmerz, der mich niederdrückt. Sie ist die Kraft, die mich vorantreibt, mich daran erinnert, wie wertvoll das Leben ist, und mich ermutigt, jeden Tag so zu leben, als wäre er ein Geschenk. Es ist ein Geschenk. Wie auch immer es entstehen mag.


Ich lebe heute das beste Leben, das ich mir vorstellen kann, weil ich erkannt habe, dass das Leben trotz aller Verluste und Schmerzen unermesslich kostbar ist. Die Vergangenheit hat mich nicht zerstört – sie hat mich geformt. Jetzt formt mich Trees of Memory mit all den Erfahrungen und den Menschen denen ich begegne. Es lehrte mich vor allem: Du darfst Urvertrauen haben, immer und jederzeit.


Jetzt, sieben Jahre später, bin ich nicht mehr die Person, die in der Dunkelheit gefangen war. Ich bin stärker, weiser und vor allem: lebendig.


Egal was du gerade durchmachst, auch wenn du auf dem Grund der Hölle gefangen bist, gib bitte nicht auf. Die Hoffnung, welches die Stärke in uns ist, alles zu überstehen, was das Leben und das Karma von uns abverlangt, ist immer in dir. Sie mag manchmal nicht spürbar sein aber sie ist da. Du musst lediglich in der Dunkelheit dich vorwärts tasten, bis du ein kleines Glimmen in der Weite des Nichts erkennen kannst. Ähnlich wie ein Schiff, dessen Besatzung viele Tage und Nächte nichts sieht außer Wasser sieht, bis sie eines Tages das schwache Leuchten eines Leuchtturms in der stürmischen See wahrnehmen können und oftmals nicht wissen, ob sie getäuscht werden.


Egal, was um dich herum geschieht, glaube immer an dich selbst. Wir können so viel mehr, als wir ahnen. Viel wichtiger ist aber: du bist so viel mehr als du denkst und fühlst. Gib nicht auf, es lohnt sich. Das verspreche ich dir.

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