Rubrik: Hilfe nach Suizid - Tränen und Stärke nach einem Suizid: Warum beides Teil des Prozesses ist
- Mario Dieringer
- 13. März
- 3 Min. Lesezeit

Ich habe geweint. Unzählige Nächte, in denen ich den Schmerz aus mir herauswürgen wollte, weil er mir sonst die Kehle zugeschnürt hätte. Rotz und Wasser geheult, bis mein Gesicht so verquollen war, dass ich mich im Spiegel nicht wiedererkannte. Bis ich nichts mehr fühlen konnte, weil mein Körper zu müde war, um noch irgendetwas außer die nackte Existenz zu ertragen.
Und dann gab es diese Momente, in denen ich gedacht habe: Jetzt reiß dich zusammen. Jetzt sei stark. Weil die Welt es erwartet. Weil Menschen um mich herum mit diesem besorgten Blick standen, der nichts als Hilflosigkeit war. Weil irgendwann irgendjemand gesagt hat, dass Tränen Schwäche sind und ich das dummerweise manchmal geglaubt habe.
Aber ich sage dir: Das ist echter Bullshit.
Tränen sind die Wahrheit, Stärke ist die Konsequenz
Wenn du jemanden durch Suizid verlierst, zerschmettert es dich. Es ist nicht einfach nur Trauer. Es ist ein kompletter Systemabsturz. Eine Explosion, die dich von innen heraus zerreißt. Und die Tränen, die kommen, sind das Einzige, was in diesem Moment noch Sinn ergibt. Sie sind die Sprache der Seele, wenn Worte nicht mehr ausreichen.
Die Gesellschaft will, dass wir schnell wieder funktionieren. Dass wir uns fangen, dass wir „nach vorne blicken“. Aber das ist eine beschissene Lüge. Weil es nichts gibt, worauf du blicken kannst, wenn dein Herz in tausend Scherben auf dem Boden liegt.
Aber hier ist das Paradoxe: Gerade die Tränen sind es, die uns stark machen. Stärke ist nicht, das Weinen zu unterdrücken. Stärke ist, es zuzulassen. Sich dem zu stellen, was in dir tobt, ohne davor wegzulaufen. Stärke ist nicht das Fehlen von Schmerz. Stärke ist, ihn auszuhalten.
Der Moment, in dem du dich selbst wiedererkennst
Ich erinnere mich an eine Nacht, rund sechs Monate nach seinem Tod. Ich saß auf dem Boden meiner Wohnung, das Licht aus, das Handy irgendwo auf lautlos gestellt, weil ich es nicht mehr ertragen konnte, dass Menschen mir Nachrichten schickten, die ich nicht beantworten konnte. „Mein Beileid.“ „Wie geht es dir?“ – Wie es mir geht? Ich wollte sterben - immer noch.
Und dann kam dieser Moment. Ich hörte auf zu weinen, als die Idee von TREES of MEMORY angeflogen kam. Nicht, weil es vorbei war. Sondern weil ich plötzlich wusste, dass ich irgendwann wieder aufstehen würde. Dass ich atmen würde, auch wenn ich nicht wusste, warum. Dass ich leben würde, auch wenn ich es nicht wollte.
Stärke ist nicht der laute Kampf. Sie ist dieses leise, trotzige „Ich bin noch hier.“
Du musst nicht sofort wieder aufstehen
Wenn du gerade in diesem dunklen Loch steckst, dann erwarte nicht von dir, dass du stark bist. Erwarte nicht, dass du lächelst, wenn dein Herz blutet. Gib dir die Zeit, um zusammenzubrechen. Um zu schreien. Um nichts zu fühlen. Stärke wächst nicht aus Verdrängung. Sie wächst aus Ehrlichkeit.
Und irgendwann wirst du aufstehen. Nicht, weil du musst. Sondern, weil du es kannst.
Bis dahin: Lass die Tränen zu. Sie sind der Anfang deiner Heilung.
Wenn dich dieser Beitrag berührt hat oder du jemanden kennst, der mit einem Verlust kämpft, dann teile ihn, kommentiere und schreibe mir deine Gedanken oder speichere ihn für später. Manchmal kann genau diese eine Nachricht den Unterschied machen – für dich oder für jemanden, der sie dringend braucht. Lass uns gemeinsam ein Zeichen setzen: Niemand muss diese Last allein tragen. 💙 #DuBistNichtAllein
Comments